1. Herstellung und Geometrie
Seit Beginn des modernen Glasbiegens für die Anwendung als Architekturglas – Mitte des 19. Jahrhunderts in England – hat sich das Herstellungsprinzip warm gebogener Gläser nicht wesentlich verändert. In der Regel kommt das in Abb. 1 dargestellte Prinzip des Schwerkraftbiegens zur Anwendung. Hierbei wird der plane Floatglas-Rohling auf eine Biegeform aufgelegt und in einem Biegeofen auf 550 bis 620 °C erwärmt. Nach dem Erreichen des Erweichungsbereiches sinkt der Rohling infolge der Schwerkraft in die Biegeform ein oder legt sich im Falle einer konvexen Biegeform über diese. Die anschließende Abkühlphase entscheidet über die Eigenschaften des Endproduktes. Zur Herstellung von gebogenem Floatglas muss der Abkühlprozess sehr langsam erfolgen – in der Regel mehrere Stunden, um ein nahezu eigenspannungsfreies und schneidbares Endprodukt zu erhalten. Demgegenüber erhält man durch schnelles Abkühlen ein thermisch teil- oder vollvorgespanntes gebogenes Glas. Der Herstellprozess thermisch vorgespannter, gebogener Gläser hat sich durch die Weiterentwicklung der Maschinentechnik verändert. Moderne Biegeöfen zur Herstellung thermisch vorgespannter Gläser arbeiten mit beweglichen Biegeformen, die den erwärmten Rohling von beiden Seiten in die gewünschte Form bringen und auch während des Vorspannens in dieser halten. Das Biegen und Abkühlen erfolgt hier in derselben Ofeneinheit.
2. Allgemeines zu baurechtlichen Regelwerken und Vorschriften
Grundsätzlich ist zwischen Regelwerken bzw. Normen für die Produkte (Eigenschaften) und für die Anwendung zu unterscheiden. Während in Produktnormen Vorschriften zur Herstellung und Angaben zu den technischen Eigenschaften von Produkten gemacht werden, behandeln auf die Anwendung bezogene Normen und Richtlinien konstruktive Anforderungen und beschreiben die erforderlichen Nachweise zur Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit eines Bauproduktes oder einer Bauart in einer baulichen Anlage. Produktnormen finden bundesweit einheitlich Eingang in die Bauregellisten. Normen und Richtlinien für die Anwendung werden dagegen in jedem Bundesland in den jeweiligen Listen der technischen Baubestimmungen separat bekannt gemacht. Hier kann also nicht von einer bundesweit einheitlichen Regelung ausgegangen werden, sondern es ist im jeweiligen Bundesland zu prüfen, welche Bestimmungen aktuell gültig sind.
3. Gebogenes Floatglas (gb-Float)
Floatglas ist ein planes, durchsichtiges, klares oder gefärbtes Kalk-Natronsilicatglas mit parallelen und feuerpolierten Oberflächen, hergestellt durch kontinuierliches Aufgießen und Fließen über ein Metallbad. Darüber hinaus sind auch andere Basisglaserzeugnisse, z. B. Ornamentglas, Drahtglas, Drahtspiegelglas, Profilbauglas, als gebogenes Produkt herstellbar. Hier ist Rücksprache mit den Herstellern zu halten. Die Normen für diese Produkte beziehen sich ebenfalls nur auf planes Glas.
4. Gebogenes Einscheiben-Sicherheitsglas (gb-ESG)
Die Produktnorm EN 12150-1 beschreibt nur planes ESG. Jedoch wird im informativen Teil dieser Norm folgendes formuliert: „Gebogenem thermisch vorgespanntem Kalknatron-Einscheiben-Sicherheitsglas wurde während der Herstellung eine feste Form gegeben. Es ist nicht Bestandteil dieser Norm, da keine ausreichenden Daten zur Normung vorhanden sind. Unabhängig davon können die Informationen dieser Norm bezüglich der Dicken, Kantenbearbeitung und Bruchstruktur auch auf gebogenes thermisch vorgespanntes Kalknatron-Einscheiben-Sicherheitsglas angewandt werden.“
5. Gebogenes teilvorgespanntes Glas (gb-TVG)
Die Produktnorm EN 1863-1 beschreibt nur planes TVG. Jedoch wird im informativen Teil dieser Norm folgendes formuliert: „Gebogenem teilvorgespannten Kalknatronglas wurde während der Herstellung eine feste Form gegeben. Es ist nicht Bestandteil dieser Norm, da keine ausreichenden Daten zur Normung vorhanden sind. Unabhängig davon können die Informationen dieser Norm bezüglich der Dicken, Kantenbearbeitung und Bruchstruktur auch auf gebogenes teilvorgespanntes Kalknatronglas angewandt werden.” Es ist zu beachten, dass vor allem das Bruchbild von planem TVG nicht exakt auf gebogenes TVG übertragbar ist. In Deutschland und Österreich ist für TVG und VSG aus TVG eine AbZ erforderlich.
6. Gebogenes Verbund- und Verbund-Sicherheitsglas (gb-VG, gb-VSG)
Die Produktnorm EN 14449 beschreibt nur planes VG und VSG. Für die Anwendung in Deutschland und Österreich muss VSG aber zusätzlich den Anforderungen nach BRL A Teil 1, lfd. Nr. 11.14 entsprechen. Somit ist VSG ein Bauprodukt mit Zwischenfolien aus Polyvinyl-Butyral (PVB) nach BRL oder aus anderen Zwischenschichten, deren Verwendbarkeit nachgewiesen ist. Welche Zwischenschicht, außer PVB, für gebogenes VSG verwendet werden darf, ist der entsprechenden AbZ zu entnehmen. VG dagegen ist ein Bauprodukt mit sonstigen Zwischenlagen, deren Eigenschaften nicht nach BRL oder einer AbZ nachgewiesen sind.
7. Gebogenes Mehrscheiben-Isolierglas (gb-MIG)
Die Produktnorm EN 1279 ist eingeschränkt für gebogenes MIG anzuwenden. Im Teil 1 der EN 1279 wird in Abschnitt 4.6 folgendes formuliert: „Einheiten mit einem Biegeradius > 1000 mm stimmen mit dieser Norm überein, ohne die zusätzlichen Prüfungen für gebogene Prüfkörper durchlaufen zu haben. Einheiten mit einem Biegeradius von 1000 mm oder weniger stimmen mit dieser Norm überein, wenn zusätzlich gebogene Prüfkörper mit dem gleichen oder kleineren Biegeradius den Anforderungen zur Wasserdampfdiffusion in EN 1279-2 entsprechen. Die Prüfkörper sollten mit der Biegeachse parallel zur längsten Seite gebogen sein.“ Grundsätzlich kann auch 3-fach-Isolierglas als gebogene Verglasung ausgeführt werden. Allerdings ist hier bezüglich der Machbarkeiten (Größe, Glasaufbauten, Glasarten, technische Werte, etc.) und Toleranzen mit den Herstellern Rücksprache zu halten.
8. Visuelle Qualität
Grundsätzlich gilt die „Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bauwesen“. Zusätzlich in den in Abschnitt 3 der Richtlinie genannten Fehlerzulässigkeiten sind bei gebogenem Glas Einbrände, Beschichtungsfehler und Flächenabdrücke zulässig. Geprüft wird bei diffusem Tageslicht (wie z. B. bedecktem Himmel) ohne direktes Sonnenlicht oder künstliche Beleuchtung und aus einem Abstand von mindestens 3 m von innen nach außen und aus einem Betrachtungswinkel, welcher der allgemein üblichen Raumnutzung entspricht. Die Durchsicht und der Farbeindruck werden durch die Biegung des Glases beeinflusst, weil die Reflexion gebogener Gläser aufgrund optischer Gesetzmäßigkeiten stets eine andere ist, als bei planem Glas.
Das Reflexionsverhalten wird durch folgende Kriterien beeinflusst:
‣ die Eigenreflexion des Basisglases
‣ Beschichtungen
‣ Biegeradius
‣ Große Biegewinkel (z. B. über 90°)
‣ Tangentiale Übergänge
‣ Glasdicke
Es wird die Anfertigung von Musterscheiben empfohlen, um einen ersten Eindruck der optischen Qualität und des visuellen Eindrucks zu erhalten.